Schmerzgedicht

Das Mädchen spielt am Bach allein,

Wirft ins Wasser Stock und Stein,

Lacht und singt und hüpft herum

Und verteilt die Erde um.

 

Doch allein ist sie nicht ganz;

Mit ihr sind des Wassers Glanz,

Der Vögel Zwitschern, Spechtes Klopfen,

Bienensummen, Wassertropfen.

 

Nur nicht Ahnung von dem Grauen,

Welches naht – ganz ohne Klauen;

Bewaffnet nur mit Traurigkeit,

Bringt es Tränen, Kummer, Leid.

 

Der Mann tritt ran, doch zögert er,

Die Tochter spielt – das Herz nicht schwer

Was soll er tun; wie soll er’s machen?

Kann nicht stören dieses Lachen …

 

Er holt tief Luft, doch spricht er nicht

Sie dreht sich um, die Freude bricht,

Der Vater schaut so traurig drein …

Wieso denn bloß, was könnte sein?

 

Er spricht zwar nicht, doch sagt er viel

Und traurig dreht sie sich zum Spiel …

Doch trotz der grauenhaften Botschaft

Spielt sie weiter – voller Tatkraft …

 

Das Mädchen spielt am Bach allein,

Wirft ins Wasser Stock und Stein,

Doch lacht sie nicht und springt sie nicht

Und singt nur noch ein Schmerzgedicht …

 

Und nun ist sie verlassen ganz:

Sie sieht nicht mehr des Wassers Glanz

Und hört nicht mehr der Tiere Leben,

Kann die Freude nicht erleben …

 

Was hat sie bloß – was meinte er?

Was machte ihr das Herz so schwer?

Es kommt von fern ein Ruf, fast tot:

Komm endlich zum Abendbrot!

© Robin Gerull, 2018