Überraschung aus der Fremde

Hallo, meine lieben Freunde!

 

Auf den Wunsch meiner Mutter hin erscheint heute ein weiterer Blogeintrag mit Antworten. In gut einem Monat (genauer: am 24. Juni) werde ich nach Berlin zurückkehren.

 

  • Wie waren die letzten Monate?

Es hielt nach und nach der Frühling Einzug, und die Schneeberge verschwanden mit verblüffender Rasanz. Grand Falls beherbergt wunderbare Natur, wenn man weiß, wo man zu suchen hat. Gleich am Ende der Straße plätschert fröhlich ein Bach, an dem ich manchmal meditiere. Einmal fuhr Sandra mit mir zu einem Spazierweg, der als Brücke auch über den Saint John River führt. Vor ein paar Tagen ging ich allein hinunter in die Stadt und fand einen anderen Weg, an dessen Ende unter einem Aussichtspunkt Felsklippen in die Fluten auf der anderen Seite des großen Wasserfalls stürzen. Dort verbrachte ich eine Weile und leistete dem Tosen Gesellschaft.

Äußerlich ereignet sich hier nicht viel. Ich gehe zur Schule, wieder nach Hause und manchmal spazieren, wenn das Wetter es erlaubt … Oder ich sitze auf der Terrasse in der Sonne und genieße das Leben dort … Was sich aber innerlich ereignet hat, ist enorm, wenn man die ruhige Rustikalität in Grand Falls bedenkt …

Vor einer Woche bin ich auf YouTube auf Eckhart Tolle gestoßen. Nun kann man ihn für einen Scharlatan halten oder nicht, mir ist es gleich, denn daran, wie er mir geholfen hat, dem inneren Frieden näherzukommen, kann das nichts ändern.

Ich habe auch vorher Berlin nicht vermisst, und das heißt auch gar nicht, dass ich es dort nicht mag … Ich bin einfach dort glücklich, wo ich bin, unabhängig vom Ort. Diese Einstellung wird sich mit der Zeit festigen – ich hab Vertrauen in die Zukunft, nicht Angst davor, denn sonst könnt ich nicht im Jetzt leben.

 

  • Wie hat sich Dein Französisch verbessert? Und Dein Englisch?

Well … ça va bien … gewissermaßen …

Um ehrlich zu sein, profitiert mein Englisch vom Aufenthalt hier weitaus mehr. Das find ich ziemlich witzig.

Wenn jeder in der Schule Englisch spricht, hat es wenig Sinn, mit gestottertem Französisch daherzukommen, also entspanne ich mich einfach hinein. Es ist nicht so, dass ich gar nichts lernte … Auf allen Ebenen (Sprechen, Schreiben, Hörverstehen, Textverstehen) gibt es große Fortschritte. Genug, um in Frankreich überleben zu können, wo die von Englisch nichts wissen wollen. Und was will ich mehr, wenn ich noch nicht mal sonderlich an der Sprache hänge?

 

  • Wie wurde Ostern gefeiert?

Zu Ostern hat Sandra mit mir ihre Familie in Edmunston zum Brunchen besucht, danach fuhren wir bei ihrem stillen Vater im Pflegeheim vorbei und bei ihrer Mutter, die allein in ihrer Wohnung sitzt und raucht. Reizende Personen, für wahr.

Doch weil es meine Mutter genauer wissen wollte, habe ich Sandra ein bisschen interviewt:

„Gibt es auch hier Ostereisuche?“

„Kommt auf die Familie an. Häufig ja, vor allem für die Kleinen.“

„Ist so ein Brunch mit der Familie typisch?“

„Ja, entweder Brunch oder Abendessen. Danach besucht man meistens auch die Verwandtschaften, die nicht mehr zum Treffen kommen können, weil sie zu gebrechlich sind.“

„Und wird Ostern hier wie in Deutschland auch vom Kommerz missbraucht?“

„Nun, eher nicht. Der religiöse Aspekt wird mehr hervorgehoben. Bei vielen ist Tradition, den Film ‚Jesus von Nazareth‘ zu schauen.“ (Das tat sie am Abend dann auch.)

„Und ist es üblich, Geschenke zu verteilen?“

„Geschenke? Reden wir über Weihnachten?“

So also wird Ostern gefeiert.

 

  • Wie läuft das mit den Freundschaften so?

Es hat sich tatsächlich vor nicht allzu langer Zeit eine neue Freundschaft ergeben. Eines Tages, ich saß allein am Tisch, wie meistens der Letzte, der noch zu Mittag isst, scheint das Konzept des kontemplativen Speisens doch noch recht spärlich verbreitet zu sein, eines Tages setzte sich mir gegenüber ein quietschvergnügtes Mädchen mit ihrem Freund und meinte (auf Englisch freilich), sie habe gehört, ich sei ein Austauschschüler. Ihr Freund sagte „Hi“ und beließ es dabei.

„Nun“, meinte ich, „ja.“

„Du kannst gerne bei uns sitzen, dann bist Du nicht allein beim Essen.“ Ich bedankte mich und aus der folgenden Konversation ging hervor, dass sie ein Faible für Europa hat, auch wenn sie noch ihre erste Reise dorthin plant, und Russisch und Deutsch lernt. Also werde ich ihr jetzt beim Deutschlernen helfen. ^^

Ansonsten hat sich nicht viel an meinem Verhältnis zu den Menschen um mich herum verändert: Ich bin gut Freund mit fast jedem (ein paar Ausgewählte finden mich ein bisschen merkwürdig, glaub ich), doch außer mit dem Pärchen verbringe ich nicht wirklich gezielt Zeit mit wem.

 

  • Welches Verhältnis hat Sandra zu ihren Kindern? Hast Du sie kennengelernt? Wie viele hat sie?

Sandra selbst hat keine Kinder, auch wenn sie die Tochter und den Sohn ihres verstorbenen Mannes gerne undifferenziert als ihre Kinder bezeichnet, genau wie ihren Pflegesohn. Sie alle sind schon erwachsen, ihre Tochter lebt in Grand Falls, deren Bruder in den USA (wir haben ihn letztes Wochenende besucht; war sehr nett) und wo der Pflegesohn lebt, habe ich vergessen. Sie hat ein gesundes Verhältnis mit all ihren Kindern (genau genommen mit allen Menschen generell, soweit ich das beurteilen kann), und trotz seiner ausgesprochenen Eigenständigkeit liebt sie auch ihr Sohn in den USA.

 

 

Ich möchte noch eine kanadische Eigenheit hervorheben, die mehr und mehr in den Vordergrund getreten ist: das Ahornblatt auf der Flagge. Die Kanadier LIEBEN ihren Ahornsirup, die Ahornbutter, das Ahornbier, die Ahornlollis und was nicht alles. Ahorn in allen Formen betrachten die Kanadier als ihre Spezialität, geradezu als Wahrzeichen.

 

Grüße aus dem Land, wo Ahornsirup fließt

Robin

 

 

Galerie

Die Brücke über dem Saint John River

Sandra, meine Gastmutter, und ich auf der Brücke

Der Wasserfall, der Grand Falls seinen Namen gibt

Wolken

Noch mehr Wolken

Mein unbeholfener Versuch, ein Selfie zu machen

Und nochmal Wolken

Jetzt hab ich herausgefunden, wie ich Kommentare zulassen kann. ^^

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Kommentare: 4
  • #1

    Doreen Westphal (Dienstag, 21 Mai 2019 15:19)

    Find ich gut, Robin, dass du dir aus Quellen, die manche nicht mögen (hier: Tolle), doch herausnimmst, was für dich grad passt. Ich selbst habe mit dieser Methode gute Erfahrungen gemacht. Es heißt eben einfach: die eigenen Instinkte schulen und ihnen dann folgen. Eigentlich kann man dann nicht so schnell in die Irre gehen!
    Schön zu lesen und zu sehen, dass es dir gut geht!
    Alles Liebe und herzliche Grüße auf diesem Weg auch an deine Mutter, durch deren Fragen wir ja überhaupt erst von dir gehört haben!
    Doreen Westphal

  • #2

    Yaouoay (Donnerstag, 23 Mai 2019 01:29)

    Glaubt den Schriften nicht, glaubt den Lehrern nicht, glaubt auch mir nicht.
    Glaubt nur das, was ihr selbst sorgfältig geprüft und als euch selbst und zum Wohle dienend anerkannt habt.
    - Buddha
    ^^

  • #3

    David (Mittwoch, 12 Juni 2019 23:28)

    Hey, mein toller großer!
    Ich bin aus verschiedenen bedauerlichen Gründen erst jetzt zum Lesen deines letzten Blogs gekommen. Ich finde es schön und erfrischend, von dir zu hören und Gewissheit zu erlangen, dass es dir gut geht. Und auch, dass du, wenn auch nur wenige, gute Freunde gefunden hast.
    Gerade die Bildunterschriften fand ich sehr erheiternd und sie haben mir mal wieder klar gemacht, wie sehr ich deine nahe Rückkehr ersehne.
    Love David

  • #4

    Yaouoay (Donnerstag, 13 Juni 2019 21:36)

    Hey, David!
    Hab Dich lieb. ^^